Eine Zigarre aus Nicaragua hat heutzutage schon beinahe automatisch einen gewissen Ruf. Wer sich in der Szene bewegt, kennt die großen Namen und die noch größeren Aromen: kräftiger Pfeffer, erdige Tiefen und diese unvergleichliche Würze, die aus den vulkanischen Böden des Landes zu stammen scheint. Umso spannender wird es, wenn ein neuer Player auf die Bühne tritt und gleich mit einer „Puro“ aufschlägt, also einer Zigarre, die ausschließlich mit Tabaken aus Nicaragua gefertigt wurde. Die Gellis Family Absolutos ist genau so ein Debüt: die erste Veröffentlichung aus Estelí, Nicaragua, gefertigt in der eher unbekannten NACSA-Fabrik. Ein wenig Understatement in der Verpackung, eine weiche Boxpressung in der Hand. Und der Anspruch, die Eigenheiten der Regionen Estelí, Ometepe, Condega und Jalapa einzufangen. Klingt nach einer ordentlichen Portion Selbstbewusstsein. In Deutschland ist sie noch nicht erhältlich. Aber wer weiß, ob sie nach der InterTabac 2025 nicht doch noch auf den Markt huscht … 
Nicaraguanische Puro mit dezentem Auftreten
Schon beim ersten Anblick wirkt die Absolutos sympathisch: nicht zu protzig, kein übertriebener Glanz, sondern eher bodenständig und handwerklich sauber. Das Deckblatt zeigt sich in einem mittleren Braunton mit einem leichten Seidenschimmer, die Boxpressung liegt angenehm in der Hand. Sie scheint fest aber nicht zu fest gerollt.Beim Kaltzug offenbart sie eine gute Balance zwischen Zugwiderstand und Durchlässigkeit. Man muss nicht arbeiten, aber sie fällt auch nicht in die Kategorie „Staubsauger“.
Die ersten Züge nach dem Anfeuern überraschen. Wer auf den typischen nicaraguanischen „Pepper Punch“ à la Don Pepin wartet, wird sich kurz die Augen reiben, oder besser: die Zunge. Statt der erwarteten Attacke empfängt die Gellis Family Absolutos den Raucher mit vergleichsweise „sanften“ Noten von Zedernholz und Erde. Der Auftakt ist fast schon zurückhaltend, ein bisschen wie ein vorsichtiges „Hallo“ statt eines lauten Paukenschlags. Dennoch ist das keineswegs enttäuschend, denn gerade diese Zurückhaltung macht neugierig, ob sich da noch etwas entwickeln will.
Im Verlauf des ersten Drittels gesellt sich ein deutliches Kaffeearoma hinzu. Zunächst erinnert er an einen kräftigen Espresso, tief und leicht bitter, aber angenehm eingebunden in die Holzigkeit. Das sorgt für Struktur, auch wenn man merkt: Hier geht es nicht um eine wilde Achterbahnfahrt, sondern eher um ein ruhiges Dahingleiten. Ein Rauchfluss, der nicht drängt, sondern begleitet. Die Asche hält sich solide, zumindest so lange, bis dass sie mir natürlich wieder in den Schoß fällt. Das Abbrandverhalten ist ist okay, der immer mal wieder auftauchende leichte Schiefbrand kann schnell korrigiert werden.
Endlich mehr Abwechslung
Das zweite Drittel bringt eine leichte Veränderung. Die Kaffeenoten wandeln sich in Richtung Cappuccino. Die Bitterkeit tritt zurück, eine gewisse Cremigkeit legt sich über den Rauch. Dadurch wirkt die Zigarre runder, etwas gefälliger, beinahe einladend für Einsteiger, die sonst mit nicaraguanischer Power überfordert wären. Die Zedernholz-Basis bleibt präsent, begleitet von erdigen Untertönen, die sich beständig durchziehen. Es ist, als würde die Zigarre wissen, wo sie herkommt. Und daran wird nicht gerüttelt!
Im letzten Drittel passiert dann das, worauf man eigentlich die ganze Zeit gehofft hat: ein Hauch Süße schleicht sich ins Spiel. Zunächst kaum wahrnehmbar, fast wie ein flüchtiger Gedanke, dann deutlicher: Honig, begleitet von einer Spur Melasse. Es bleibt subtil, nie aufdringlich, aber doch präsent genug, um die Aufmerksamkeit wieder zu fesseln. Wer bis hierhin geduldig geblieben ist, wird belohnt, auch wenn man zugeben muss: Das große Aha-Erlebnis bleibt aus. Die Gellis Absolutos ist kein Feuerwerk an Komplexität, keine Zigarre, die mit jedem Zug ein neues Kapitel aufschlägt. Sie erzählt vielmehr eine gleichmäßige Geschichte, mit sanften Wendungen und einem konstanten Grundton.
Unaufgeregtes Debüt, das neugierig macht
Mein Fazit: Die Gellis Family Absolutos ist ein solider Einstand für eine neue Marke. Sie zeigt durchaus Handwerkskunst, gute Verarbeitung und einen Rauchverlauf, der zuverlässig und angenehm ist. Die Aromatik bleibt eher subtil und konstant, ohne spektakuläre Überraschungen. Wer eine Explosion erwartet, wird vielleicht enttäuscht sein. Wer jedoch eine ehrliche, handwerklich saubere Nicaragua-Puro sucht, die nicht mit Pfefferattacken überfällt, findet hier eine treue Begleiterin für einen ruhigen Abend. Man könnte sagen: eine Zigarre, die sich lieber mit einem Cappuccino auf die Terrasse setzt, als auf der großen Bühne die Spotlights zu suchen. Und das hat – gerade im heutigen, oft überdrehten Zigarrenmarkt – auch seinen ganz eigenen Charme. Ob sie sich auf dem deutschen Markt – sofern sie es hierhin schafft – behaupten kann, bleibt allerdings abzuwarten.
EtwasGenuss wünscht euch
Toto



