Welcome back in der Welt des Genusses und der Zigarren, liebe Henry Clay-Zigarren! Die Zigarre, die den martialischen Seriennamen „War Hawk (Kriegsbussard) trägt, ist alles andere als eine toughe Vertreterin ihrer Zunft, stattdessen gleicht sie einer Friedenstaube auf der Suche nach Brotkrumen. Doch bevor wir uns „genüsslich“ durch die 50 Minuten Rauchzeit dieser geheimnisvollen Honduranerin ziehen, werfen wir einen kurzen Blick zurück – in eine bewegte Vergangenheit, die dieser Zigarre weit mehr Tiefe verleiht, als man auf den ersten Zug vermuten würde.
Etwas Tradition, etwas Moderne: Die Wandlung der Henry Clay Zigarren
Ursprünglich stammt die Marke Henry Clay aus dem Kuba des 19. Jahrhunderts. Der spanische Einwanderer Julián Álvarez Granda gründete sie in den 1840er Jahren – also zu einer Zeit, in der Zigarren in Havanna das Gold waren, mit dem man seinen guten Geschmack bezahlte. Die Marke entwickelte sich gut – bis zur kubanischen Revolution. Mit Fidel Castros Machtübernahme wurden auch die Henry-Clay-Zigarren verstaatlicht und verloren ihren einstigen Glanz. Der US-Embargo tat sein Übriges: Die Marke verschwand auf Kuba in der Bedeutungslosigkeit – wurde aber in den USA neu geboren. Ein Comeback, könnte man meinen. Aber kein bombastischer Paukenschlag – eher ein sachtes Heben des Vorhangs mit einem Augenzwinkern. Und dann kam sie: die War Hawk Linie, erstmals vorgestellt 2019 in den USA. Gerollt wird sie heute in der Tabacalera Flor de Copan im Norden von Honduras – ein Name, der Aficionados schon seit Jahren ein Lächeln ins Gesicht zaubert.
Das Deckblatt, ein Connecticut Shade aus Ecuador zeichnet sich durch eine feine, leicht adrige Optik aus. Das honduranische Umblatt ist ein Connecticut Broadleaf – kräftiger, dunkler und eine Art würziger Gegenspieler zum feinen Deckblatt. Die Einlage: Reiner honduranischer Criollo 98. Das Design der Zigarre indes trägt noch kubanische Anklänge, die Anilla präsentiert sich klassisch-schlicht und nicht überstyled. Kein Bling-Bling, keine Goldfolie, keine überzogenen Versprechungen.
Von allem etwas – zugänglich und nett
Der Kaltgeruch? Etwas Leder und eine Prise Pfeffer. Zack, angezündet und schon zu Beginn fällt der etwas offene Zugwiderstand auf – etwa 40 Prozent. Mir etwas zu locker, was je nach Vorliebe entweder als komfortabel oder als leicht flach empfunden werden kann. Ich hätte mir ein etwas strafferes Mundgefühl gewünscht, aber der Vorteil liegt auf der Hand: Der Rauch ist sofort da, relativ dicht aber nicht überwältigend. Der Abbrand ist weitgehend stabil – nur kleinere Korrekturen sind notwendig, die sich mit einem sanften Drehen oder einmaligem Nachfeuern leicht beheben lassen. Für eine Zigarre dieser Preisklasse: absolut solide.
Die Asche präsentiert sich mittelgrau und mit einer gewissen Neigung zum Bröseln – nichts, was man unbedingt auf dem weißen Hemd haben möchte. Das Hemd bleibt aber blütenweisß! Die Henry Clay War Hawk beginnt mit einer schönen getreidigen Zedernholznote, begleitet von einer leichten Kräutrigkeit. Das erste Drittel ist freundlich, zurückhaltend – einladend für Einsteiger, aber auch nicht langweilig für Fortgeschrittene. Im mittleren Drittel ändert sich die Komposition: Walnuss und Leder treten auf die Bühne. Dazu kommt eine dezente Säure, die der Zigarre mehr Struktur verleiht. Man hat fast das Gefühl, sie will jetzt ernst genommen werden – der Moment, in dem aus dem freundlichen Smalltalk eine tiefere Unterhaltung wird. Zum Finale hin erhält die War Hawk zunächst zarte Karamell-Anklänge, wird dann aber leider etwas bitterer. Eine Degasierung hilft und bringt nochmal für einen kurzen Moment die Cremig- und Getreidigkeit zurück, die schon im ersten Drittel da war, sich aber schüchtern wieder verzogen hatte.
Ein Comeback der zurückhaltenden Art
Insgesamt bleibt das Aromenportfolio etwas schmal. Hier und da blitzt Charakter auf – aber das große Feuerwerk bleibt aus. Für den Preis von 8,50 Euro jedoch bekommt man einen ehrlichen, gut gemachten Smoke mit einem klaren Profil. Die Henry Clay War Hawk Robusto ist wie ein kluger Querdenker: Sie fällt nicht durch Lautstärke auf, sondern durch Contenance.
Wer komplexe, sich ständig wandelnde Aromen sucht, wird hier nicht restlos glücklich. Wer aber eine ehrliche Zigarre mit Geschichte, einer milden Charakteristik und angenehmem Rauch sucht – ohne dass es gleich im Portemonnaie schmerzt – der bekommt hier einen grundsoliden Smoke.
Ich persönlich hätte mir für das Comeback von Henry Clay ein etwas fulminanteres Statement gewünscht – mehr Vielfalt, mehr Punch, mehr „War“. Aber vielleicht liegt genau darin der Trick: Die War Hawk rebelliert nicht mit Geschrei, sondern mit Beständigkeit. Make Peace, not war!
EtwasGenuss wünscht euch
Toto